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Mein alltäglicher Glaube – Impulse für ein gutes Miteinander

JUDEN + CHRISTEN + Muslime MITEINANDER im Gespräch

Wer eine strenge, hochgeistige und unnahbare Veranstal-tung zum Thema Weltreligionen erwartet hätte, der wäre sicherlich enttäuscht gewesen, als sich am Montagabend (6.11.) junge Muslime, Christen und Juden zu einem Gespräch über ihren Glauben im vollbesetzten Studieren-denhaus an der OTH trafen. Vielfach geht es bei solchen Diskussionen um die großen Wahrheiten, die man sich gegenseitig in Form von intellektuellen Konstrukten entge-genstellt. Ganz anders war dies bei der Veranstaltung  „Mein alltäglicher Glaube – Impulse für ein gutes Miteinander“. Hier wurden das eigene Leben und der gelebte Glaube, wie er für einen ganz persönlich in Erscheinung tritt, zum Thema des Abends.

Andreas, der katholischer Religionslehrer werden will, betonte gleich zu Beginn, dass für ihn Glaube und Ge-meinschaft wichtig sind und untrennbar zusammengehören. So stellte er dann auch fest: „Ein Christ allein, geht ein!“ Ein Christ braucht, seiner Meinung nach, Menschen mit denen er zusammen beten und sich austauschen kann.

ORTE DES GLAUBENS – ORTE DER BEGEGNUNG

Als Dr. Alexander Flierl von der Katholischen Hochschulgemeinde nach Orten des eigenen Glaubens fragte, stellte Jana mit einem Lachen fest: „Als Jüdin kann ich überall beten.“ Für Alina, einer christlichen Studentin, ist der Regensburger Dom ein ganz besonderer Ort des Gebetes und hier besonders die Seitenkapelle. „Am liebsten bin ich dort beim Gebet, ganz abseits der Touristenströme.“
Für Andreas sind es hingegen weniger Orte, sondern  vielmehr die Situationen, wo er ins Gebet kommt.
„Wenn ich z. B. in der Natur bin und ich mich spontan über die wunderschöne Schöpfung freuen kann.“ Yassine, der aus Marroko nach Deutschland gekommen ist, brachte einen sehr nachdenklichen Aspekt in das Gespräch ein, als er gefragt wurde, wie er den Raum der Stille wahrnimmt, der an der OTH allen Religionen offensteht. „Der Raum der Stille ist genau das Gegenteil von dem, was wir in unseren Herkunftsländern erlebt haben. Da war Krieg, Gewalt und hier ist Stille und eine friedliche Koexistenz. Es ist ein Begegnungsort.“ (Yassine)

GLAUBE IN DEN MEDIEN

Als die Podiumsteilnehmer danach gefragt wurden, wie sie die Berichterstattung in den Medien wahrnehmen, musste Yassine tief durchatmen und meinte: „Das stört mich echt in Deutschland, dass man durch die Medien als Muslim immer unter Generalverdacht steht ein Terrorist zu sein.“ Dem konnte auch Soufiane zustimmen. „Ich hab da manchmal echt Komplexe und denke immer, dass ich mich rechtfertigen muss.“  Aber dass sich auch Christen für Ihren Glauben Auskunft geben müssen und auch mal angefeindet werden, überraschte beispielsweise die muslimischen
Gesprächsteilnehmer sehr. So erzählte Alina: „Auch als Christin muss ich mich manchmal rechtfertigen. Man wird oft als naiv belächelt. Denn Religion wird vielfach als etwas angesehen, was man doch spätestens mit der Aufklärung überwunden haben sollte.“  Einigkeit herrschte bei den Gesprächsteilnehmern, dass in der medialen Berichterstattung oft negative Punkte im Kontext des Glaubens weit ausgebreitet werden – auch wenn dies beispielsweise nur Einzelpersonen betrifft – und den vielen positiven Aspekten des Glaubens hingegen kaum Raum gegeben wird.

KARAFT AUS DEM GLAUEBEN

Soufiane, der in einer Regensburger Entwicklungsabteilung arbeitet, stellte im Rückblick seines Weges von Marokko nach Deutschland fest: „Da bist du so einsam im neuen Land, da bleibt dir nur Gott, da hast Du niemanden sonst.“ Für Alina ist die persönliche Gottesbeziehung eine große Kraftquelle, da sie sich bei Gott ganz angenommen fühlt: „Menschen kennen einen gut, besonders die Menschen aus der eigenen Familie, aber niemand kennt dich so gut wie Gott und er liebt mich so wie ich bin.“ Die persönliche Freundschaft mit Jesus ist für Andreas eine Kraftquelle, die ihn – auch
 wenn nicht alles super läuft – stärkt.

WAS WISSEN WIR VONEINANDER?

Als Dr. Gabriele Kainz und Dr. Alexander Flierl von den beiden christlichen
Studierendengemeinden danach fragten, was die TeilnehmerInnen eigentlich vom gelebten Glauben der anderen Menschen so mitbekommen, antwortete Soufiane: „Ich weiß nicht, wie ein Christ seinen Alltag lebt und was ihm wichtig ist. Dass meine Arbeitskollegen Christen sind merke ich im Alltag nicht. Nur bei den alten Menschen in Deutschland merke ich das, wenn man sie z. B. schön angezogen am Sonntag in die Kirche gehen sieht.“ Yassine fügte hinzu: „Als ich vor einiger Zeit bei einer christlichen Familie zu Gast war, habe ich zum ersten Mal erlebt, dass sie vor dem Essen beten. Das habe ich in den Jahren vorher und bei anderen Familien nicht gesehen. Das war echt neu für mich.“  Für Jana ist klar, dass das Interesse an den anderen Menschen und anderen Religionen für unser gesellschaftliches Zusammenleben wichtig ist und sich schon in ganz praktischen kleinen Dingen zeigen kann. „Da ich im Spielzeugladen arbeite, habe ich mich schon mit den christlichen Bräuchen beschäftigen müssen, denn wenn jemand den Balthasar für die Krippe braucht, dann muss ich ja wissen, dass er einer der Heiligen Drei Könige ist.“

WAS BRINGT DIE ZUKUNFT

Die letzte Frage an die GesprächsteilnehmerInnen war, wie sie sich die Zukunft der Religionen in 100 Jahren vorstellen. Darauf antwortete Alina mit den Worten:  „Frieden und Freundschaft. Aber damit man zu Freunden werden kann, muss man sich kennen und füreinander interessieren.“ Soufiane plädierte ebenso für eine Freundschaft und eine friedliche Koexistenz: „Judentum, Christentum und Musli-me, diese drei Religionen sind doch miteinander verbun-den. Würde eine davon wegfallen, wäre das ein großer Verlust auch in Beziehung zu den anderen Religionen. Frieden für alle ist der größte Wunsch und dafür müssen wir uns einsetzen.“ Mit diesem Wunsch nach Frieden und einer bewussten Freundschaft zwischen den Religionen, bei der man vom anderen weiß, wurde der Diskussionsraum geöffnet und die über 60 anwesenden jungen Menschen diskutierten miteinander über ihren eigenen Glauben.

Vielleicht war das Besondere an diesem Abend, dass das MITEINANDER und der Austausch im Vordergrund standen. Ebenso trug die offene und ehrliche Atmosphäre dazu bei, dass man sich mit einem Lächeln begegnen konnte und man nicht über den Christen, den Muslim oder die Jüdin spricht, sondern MIT ganz konkreten Menschen ins Gespräch gekommen ist. Menschen, die ähnliche Probleme im Leben meistern müssen, sich genauso über manche Ereignisse freuen und dies alles auch in eine Beziehung mit Gott bringen wollen. Zudem waren sich die Veranstalter, das Evangelische Bildungswerk Regensburg e. V., die Evangelische Studierendengemeinde Regensburg, die Katholische Hochschulgemeinde und die Katholische Erwachsenenbildung in der Stadt Regensburg e. V. in Kooperation mit dem Mentorat einig, dass solche Formate auch in Zukunft angeboten werden sollen.


 Regensburg, den 08.11.2017 | Roland Preußl (KEB)

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